Weihrauch - Renaissance eines alten Heilmittels

 Weihrauch - ein Heilmittel mit langer Tradition

  

Weihrauch. Es ist der Duft, der katholische Gottesdienste zum sinnlichen Erlebnis macht. Tatsächlich wird Weihrauch als Räuchermittel schon seit Jahrtausenden in vielen Kulturen eingesetzt. Und Weihrauch ist ein eine Medizin, die bereits die alten Ägypter, Griechen und Römer verwendeten. Zur Zeit erlebt Weihrauch eine Renaissance. Vera Wagner über ein Heilmittel mit langer Tradition.

 

„… und sie gingen in das Haus und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe“.

 

So wird in Matthäus 2 die Begegnung der drei Weisen aus dem Morgenland mit dem gerade geborenen Jesus beschrieben. Der sechste Januar, der Drei-Königs-Tag, erinnert daran. Die Gaben der Magier waren wertvolle Geschenke, die eine symbolische Bedeutung hatte. Weihrauch als Opfergabe steht in den antiken Kulturen für den Bezug des Geistes zu den höheren Mächten. Myrrhe für die Überwindung des Zeitlichen und die Transzendenz. Das Sonnenmetall Gold bringt Licht in Körper und Seele, symbolisiert die spirituelle Macht in der diesseitigen Welt und ist Sinnbild für Unvergänglichkeit.

 

 Kostbarer als Gold

 

Weihrauch war eines der Luxusgüter der Antike. Er bescherte den Anbaugebieten im Zweistromland sagenhaften Reichtum. Auf der sogenannten „Weihrauchstraße“ wurden Weihrauch und Myrrhe, die wichtigsten Harze Südarabiens, mit Dromedar-Karawanen von Jemen und Oman aus ins Heilige Land transportiert.

 

Olibanum, das Harz des Weihrauchbaumes, begleitete die Menschen von der Geburt bis zum Tod. So wurde der Kopf eines Neugeborenen mit Weihrauch gesalbt, um es nach der Anstrengung der Entbindung zu beruhigen. Bei der Letzten Ölung sollte das Olibanum-Öl die Seele dabei unterstützen, in den Himmel aufzusteigen. Weihrauch – die göttlichste aller Substanzen. Beim Räuchern schlägt Weihrauch eine Brücke von der materiellen zur spirituellen Welt.

 

Priester des alten Ägypten

beschrieben die segensreiche Wirkung der Harze bei der Behandlung von Wunden und Hautausschlägen. Aus Weihrauch wurden Mittel gegen Erkältungskrankheiten und Entzündungen, Gicht und Darmerkrankungen hergestellt. Weihrauch wurde zur inneren und äußeren Anwendung bei gutartigen und bösartigen Tumoren verordnet. Arabische Ärzte in der alten Welt kannten über 80 Weihrauch-Zubereitungen. Im alten China behandelte man vor allem Hautleiden, auch die Lepra, mit Zubereitungen aus Olibanum. In Afrika wurde Weihrauch traditionell angewandt bei Krankheiten wie Bilharziose, Syphilis und Magenleiden. Auch psychische Erkrankungen wurden mit Weihrauch behandelt. Unzählige Weihrauch-Rezepturen sind auch von den namhaftesten Ärzten der damaligen Zeit überliefert: Hippokrates, Paracelsus, Dioskurides, Galen. Sie verwendeten Harz und Rinde in allen Variationen: Als Salbe bei Brandwunden, Schuppenflechte oder Warzen; als Pulver zum Desinfizieren von Wunden. Als Einlauf bei Verstopfung. Zur Inhalation bei Bronchitis. Als Gurgelwasser bei Mandelentzündung.

 

Auch im Lorscher Arzneibuch aus dem 8. Jahrhundert finden sich Rezepte mit Olibanum.

 

„Mittel gegen Augenjucken“. „Zerstoß Ammoniakgummi, Aloe, Myrrhe und Weihrauchkörner mit scharfem Essig und trage es mit der Feder auf dem juckenden Auge auf. Es lindert den Juckreiz.“

 

Aus 25 Ingredienzien – als erste wird Weihrauch genannt - besteht ein „Panazee“ (Allheilmittel), „das gegen alle Krankheiten hilft und Gicht erzeugende Säfte austrocknet. Man trinkt es ein Jahr lang, es wird verhindern, dass die Säfte bis zu den Füßen fließen, es wird keine Magenschmerzen und Krankheit zulassen."

 

Im frühen Mittelalter wurde Weihrauch in der Krankenpflege und zur Bekämpfung der Pest eingesetzt. Man glaubte, durch das Räuchern die sogenannten Miasmen vertreiben zu können. In einer Zeit, in der man noch nichts über Viren und Bakterien als Krankheitserreger wusste, herrschte der Glaube, Krankheiten und Seuchen entstünden durch faulige Prozesse in der Luft und im Wasser. 

 

Die populärste Heilkundige des Mittelalters, Hildegard von Bingen, setzt Weihrauch bei Schwerhörigkeit und Tinnitus ein. Sie empfiehlt eine Räucherung des Gehörganges mit weißen Weihrauchkörnern – ähnlich wie bei den indianischen Ohrkerzen. Bei Schnupfen empfiehlt sie eine Weihrauch-Inhalation. Auch für Sebastian Kneipp gehört Weihrauch in die Hausapotheke. 1886 empfiehlt er zur Stärkung der inneren Gefäße die Brust mit „Weihrauchkörnern der weißen Sorte“ einzureiben.

 

Im frühmittelalterlichen Persien verordneten die Heilkundigen Olibanum gegen Sommersprossen, Pockennarben und Tollwut.

 

In China wurden mit Olibanum-Zubereitungen Hautkrankheiten, darunter die Lepra, behandelt.

 

In Indien wird in der „Medizinflasche von Ajanta“ von der Heilkraft des Weihrauchs berichtet. Die Ärzte der Maharadschas bekämpften damit „Tollheit“ und Epilepsie. Auch Heiserkeit, Schnupfen und Frauenleiden waren eine Indikation. In der ayurvedischen Medizin wird Weihrauch seit Jahrtausenden zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Und ein ayurvedisches Weihrauch-Präparat war es denn auch, das einen Pharmakologien aus Tübingen dazu brachte, Weihrauch als Heilmittel zu erforschen.